#Urteile
27.11.2019

Härtefalleinwand nach Modernisierung

Eine Mieterhöhung über 240 Euro monatlich muss ein Mieter nicht zahlen. Auch der Mieter sei hinsichtlich seiner Besitzrechte an der Wohnung grundrechtlich geschützt, sodass bei der zu erfolgenden Interessenabwägung insbesondere auch seine Verwurzelung in der Wohngegend sowie sein Alter und der gesundheitliche Zustand zu berücksichtigen sei.

Urteil vom 9. Oktober 2019 – VIII ZR 21/19

Für die Wärmedämmung der Fassade, den Anbau größerer Balkone und die Inbetriebnahme eines stillgelegten Fahrstuhls in einem Altbau aus dem Jahr 1929 forderte der Vermieter eine Mieterhöhung über 240 Euro. Der Mieter wohnt seit seiner Kindheit in der 86 Quadratmeter großen Wohnung. Er wandte ein, dass die Mieterhöhung für ihn eine finanzielle Härte bedeutet und erhob Klage auf Feststellung, dass er zur Zahlung nicht verpflichtet sei. Als Empfänger von Transferleistungen könne er sich die zukünftige Miete von mehr als 800 Euro nicht leisten, weil er zur Deckung der Wohnungsmiete nur 463 Euro erhalte. Das Landgericht hielt lediglich die Erhöhung um 4,16 Euro für die Dämmung der obersten Geschossdecke für wirksam. Den darüber hinaus gehenden Modernisierungszuschlag musste der Mieter wegen unzumutbare Härte nicht zahlen. Auch der BGH hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Insbesondere könne dem Mieter nicht vorgehalten werden, als Einzelperson unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und Bedürfnisse eine 86 Quadratmeter große Wohnung zu bewohnen. Grundsätzlich habe zwar eine Abwägung der Vermieter- und Mieterinteressen zu erfolgen. Die Härtefallregelung bei einer Modernisierungsmieterhöhung habe jedoch den Sinn und Zweck, dem Mieter möglichst seinen Lebensmittelpunkt, also seine Wohnung zu erhalten. Auch ein Mieter sei hinsichtlich seiner Besitzrechte an der Wohnung grundrechtlich geschützt, sodass bei der zu erfolgenden Interessenabwägung insbesondere auch die Verwurzelung des Mieters in der Wohngegend sowie das Alter und der gesundheitliche Zustand zu berücksichtigen sei. Vorliegend habe sich der Mieter, der die Wohnung bereits mehr als 55 Jahre bewohnt, nicht vorwerfen zu lassen, dass er über seine Verhältnisse lebe.

Kommentar: Die zu begrüßende Entscheidung ist insbesondere aufgrund der in den Metropolen angespannten Wohnungsmärkte relevant. Hier werden häufig langjährige Mieter durch hohe Modernisierungsmieterhöhungen regelrecht aus ihren Wohnungen verdrängt. Der BGH macht deutlich, dass betroffenen Mietern nicht ohne weiteres vorgehalten werden kann, eine für ihre Verhältnisse zu große Wohnung zu bewohnen. Im Übrigen wäre ihnen auch nicht mit der Anmietung einer kleineren Wohnung geholfen, da die hohen Neuvertragsmieten einen Umzug oft sinnlos erscheinen lassen. Gleichzeitig kann den betroffenen Mietern, die sich häufig in einem fortgeschrittenen Alter befinden, nicht ohne weiteres eine teilweise Untervermietung der Wohnung zugemutet werden.

Wichtig: Für den Härteeinwand gilt die Einhaltung der Form- und Fristvorschrift für den Mieter. Seit dem 1. Mai 2013 müssen diese schriftlich bis spätestens zum Ablauf des Monats, der auf den Zugang der Modernisierungsankündigung folgt, mitgeteilt werden (Beispiel: Ankündigung der Maßnahme erfolgt am 6. Oktober, dann muss der Mieter den Härtegrund bis zum 30. November mitteilen). Unterlässt der Vermieter diesen Hinweis, kann der Mieter stets Härtegründe geltend machen und zwar formlos.

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